OB Otto Ruppaner im Interview zu wichtigen Themen der Stadt „Wir werden um eine Kursänderung nicht herumkommen“
Es ist viel passiert in den vergangenen Monaten. Im Interview spricht Oberbürgermeister Otto Ruppaner über die Haushaltsberatungen, die erfolgreichen Sparbemühungen und kommende und laufende Infrastrukturprojekte, aber auch über den gelungenen Einstieg in das Jubiläumsjahr.

Herr Ruppaner, kürzlich ist vom Gemeinderat der Haushalt für die kommenden zwei Jahre verabschiedet worden. Wie bewerten Sie das einige Hundert Seiten starke Werk?
Nach intensiven und konstruktiven Haushaltsberatungen in den vergangenen Monaten stehen wir vor erheblichen finanziellen Herausforderungen. Unsere Stadt Leinfelden-Echterdingen ist, wie viele Kommunen in Baden-Württemberg, mit einer angespannten Haushaltslage konfrontiert.
Die jüngsten Entwicklungen sind besorgniserregend. Bereits zur Jahresmitte 2024 wies das Statistische Landesamt darauf hin, dass den Kommunen im Land rund zwei Milliarden Euro fehlen. Diese Abwärtsspirale setzt sich fort und gewinnt im Jahr 2025 weiter an Dynamik. Die aktuelle Steuerschätzung prognostiziert für die kommenden beiden Jahre Mindereinnahmen von etwa zwei Milliarden Euro.
Diese finanzielle Schieflage ist eng verknüpft mit der allgemeinen wirtschaftlichen Situation unseres Landes. Baden-Württemberg, traditionell ein starker Industriestandort, verzeichnete 2024 einen Rückgang des Bruttoinlandsprodukts. Für 2025 wird ein weiteres Schrumpfen erwartet, was die schwächste Entwicklung im Bundesländervergleich darstellt.
Wie verliefen die Haushaltsberatungen?
Vor diesem Hintergrund waren die Haushaltsberatungen mit den Fraktionen von einem intensiven Ringen um die finanzielle Stabilität unserer Stadt geprägt. Erstmals seit vielen Jahren sehen wir uns gezwungen, erhebliche Kreditaufnahmen in Höhe von 76,65 Millionen Euro für die kommenden beiden Haushaltsjahre einzuplanen. Diese Mittel sind jedoch erforderlich, um die vom Gemeinderat gewünschten und im Wesentlichen bereits baulich begonnenen Investitionen umzusetzen.

Die Umlagen an den Landkreis und das Land spielten bei der Aufstellung des Haushalts eine große Rolle, richtig?
Unbedingt. Hier gab es eine enorme Dynamik beim Anstieg der Ausgaben, insbesondere der Sozialausgaben. Da wurden in den vergangenen Jahren insbesondere im Bund enorme Versprechungen gemacht. Erwähnen möchte ich die Eingliederungshilfe oder die Jugendhilfe. Das hat auf kommunaler Ebene und vor allem beim Landkreis zu erheblichen Kostensteigerungen geführt.
Im Ergebnis führt das dazu, dass eine Stadt wie Leinfelden-Echterdingen, die aufgrund ihrer seitherigen Steuerkraft hohe Umlagen bezahlt, davon stark betroffen ist. Insofern hat die Bundespolitik direkte Auswirkungen auf die Finanzen der Kommunen. Zeitgleich erleben wir aufgrund der wirtschaftlichen Lage einen deutlichen Rückgang bei der Gewerbesteuer.
Konnte im Vergleich zum Haushaltsentwurf noch Geld eingespart werden?
Ja, trotz dieser erheblichen Investitionen ist es uns gelungen, über den Finanzplanungszeitraum Ergebnisverbesserungen von 17,1 Millionen Euro zu erreichen, davon rund sechs Millionen Euro in den beiden kommenden Haushaltsjahren. Zudem wurden Verpflichtungsermächtigungen in Höhe von über 20 Millionen Euro aus der Haushaltsplanung herausgenommen. Das sind Ausgaben, die in den Folgejahren vorgesehen waren, nun aber erst einmal zurückgestellt wurden.
Diese Maßnahmen zeigen, dass wir den Haushalt optimieren konnten, auch wenn die finanzielle Situation weiterhin enorm angespannt bleibt.
Wird es eine Kursänderung geben?
Darum werden wir nicht herumkommen. Es ist klar, dass es in den kommenden Haushaltsjahren so nicht weitergehen kann. In diesem Kontext appelliere ich an alle Beteiligten, weiterhin gemeinsam nach Lösungen zu suchen, die sowohl die finanzielle Stabilität sichern als auch die notwendigen Investitionen in unsere Infrastruktur ermöglichen.
Die Stadt wird mit diesem Haushalt das ihr Mögliche tun, um die Rahmenbedingungen für Bürgerschaft und Wirtschaft bestmöglich zu gestalten. Es liegt jedoch auch an Bund und Land, die notwendigen wirtschaftlichen Impulse zu setzen, damit wir gemeinsam die Herausforderungen der Gegenwart und Zukunft meistern können.
Was wünschen Sie sich in diesem Zusammenhang?
Die Kommunen, und auch wir als Stadt Leinfelden-Echterdingen, erwarten von der Bundesregierung starke Impulse für die Wirtschaft. Die kommunalen Finanzen und somit auch unser Gemeinwesen können nur dann nachhaltig gesichert werden, wenn wir auf einem soliden Wirtschaftsmodell aufbauen können. Die Kommunalen Landesverbände haben bereits ihre tiefe Besorgnis über die aktuelle Finanzlage zum Ausdruck gebracht und betont, dass ohne stärkere Unterstützung durch Land und Bund vielen Kommunen die Handlungsunfähigkeit droht.
Zur Wahrheit gehört aber auch, dass sich alle staatlichen Ebenen mit Blick auf ihre Ausgaben – von der Kommune über das Land bis zum Bund – bewusst werden sollten, dass wir uns künftig ausschließlich am Notwendigen und Machbaren und nicht am Wünschenswerten orientieren müssen. Das scheint mir leider in der Vergangenheit aus dem Blick geraten zu sein.
Welche Punkte darin halten Sie für die Entwicklung der Stadt für wichtig?
Neben der Förderung der örtlichen Wirtschaft ist uns die Bildungslandschaft ein großes Anliegen. Die Schulentwicklungsplanung ist eine der vorzüglichsten Aufgaben, die eine Kommune hat. Wir wollen nach und nach die Schulen sanieren und mit der im Bau befindlichen Kita Stangen (Foto) die Vereinbarkeit von Familie und Beruf weiter verbessern. Dazu kommen auch die Planungen zur Verlängerung der U5 nach Echterdingen, auch wenn der Weg noch ein weiter sein wird.
Sind Investitionen in die örtliche Infrastruktur – und damit in die Zukunft – noch möglich?
Ja, etliche Investitionen in die Infrastruktur laufen bereits oder stehen in den Startlöchern. Konkret handelt es sich dabei um den Neubau des Gartenhallenbades – eine der größten Investitionen in der Geschichte unserer Stadt. Auch die Sanierung der Filderhalle muss in diesem Zusammenhang genannt werden.
Eine ganze Menge Geld wird zudem der Ausbau der Wärmenetze mit entsprechender Eigenkapitalerhöhung der Stadtwerke kosten. Viel investiert wird zudem in Betreuung und Bildung, nennen möchte ich hier den Neubau und die Sanierung der Zeppelinschule, den Neubau und die Erweiterung der Lindachschule sowie – wie bereits erwähnt – den Neubau der Kita Stangen.

Das geht aber alles nicht, ohne Kredite aufzunehmen, oder?
Ja, wir nehmen jetzt Kredite auf, um die laufenden Projekte zu finanzieren. Aber wir können uns nicht grenzenlos überschulden und müssen ganz deutlich priorisieren. Wir müssen uns zukünftig sehr genau überlegen, für was wir noch Geld ausgeben können. Das entbindet uns auch nicht davon, den Haushalt strukturell zu konsolidieren – sofern wir nicht weiteres Wirtschaftswachstum generieren.
Was bedeutet für Sie der Begriff „Generationengerechtigkeit“?
Ich halte es für falsch, die Infrastruktur verfallen zu lassen, also Straßen nicht mehr zu sanieren oder Schulen und andere Gebäude wie beispielsweise Sporthallen nicht mehr auf Vordermann zu bringen. Das ist auch eine Art der Verschuldung. Generationengerecht ist es sicher nicht, wenn man den Kindern marode Gebäude oder Straßen hinterlässt, die sie dann später deutlich aufwendiger sanieren müssen.
Aber natürlich ist eine hohe finanzielle Verschuldung auch nicht gut. Das ist kein einfacher Balanceakt und ich wünsche mir, dass der Gemeinderat die Kraft findet, hier einen guten Ausgleich zu finden.
Welche Einflussmöglichkeiten hat Leinfelden-Echterdingen auf den Haushalt?
Manche Dinge können wir steuern und die Ausgaben möglichst klein halten. Unser Einfluss auf die Ausgaben wird jedoch immer geringer. So mussten wir beispielsweise, wie eingangs erwähnt, 18 Millionen mehr an Umlagen, also Zahlungen an zum Beispiel den Kreis, leisten, um die Wahlversprechen einer Bundesregierung zu bezahlen.
Da erscheint es müßig, lange über einen Zuschuss von zehn- oder zwanzigtausend Euro für ein soziales Projekt zu streiten, wenn die große Politik auf der anderen Seite neue Ansprüche und Zusagen formuliert.
Die strukturellen Probleme sind ohne das Zutun von Bund oder Land nicht zu lösen, da sollte auch die eine oder andere Entscheidung aus meiner Sicht revidiert werden.
Müssen die Bürgerinnen und Bürger aufgrund der Haushaltslage mit Einschnitten rechnen? Und wenn ja, wo liegen diese?
Wir wollen Einschnitte so gering wie möglich halten. Wahr ist aber auch, dass wir uns zukünftig nicht mehr alles leisten können. Eigentlich ist es eine Binsenweisheit, aber Einnahmen und Ausgaben sind nach dem Prinzip der kommunizierenden Röhren in Einklang zu bringen.
Ein großer Teil der Einnahmen kommt von der örtlichen Wirtschaft, die gerade Probleme hat. Wie kann die Stadt die örtliche Wirtschaft unterstützen?
Da will ich als erstes das Gründungs- und Innovationszentrum nennen, das der Gemeinderat in seiner jüngsten Sitzung einstimmig auf den Weg gebracht hat. Damit setzen wir einen wichtigen Impuls für die wirtschaftliche Zukunft unserer Stadt und schaffen einen Ort, an dem neue Ideen wachsen, junge Unternehmen entstehen und innovative Technologien entwickelt werden können. Leinfelden-Echterdingen hat eine wirtschaftlich starke Basis, die geprägt ist von innovativen Mittelständlern und international erfolgreichen Unternehmen.
Doch Innovation kommt nicht nur aus bestehenden Strukturen. Sie entsteht dort, wo Kreativität und Unternehmergeist gefördert werden. Dafür bietet unser Standort ideale Bedingungen: die Nähe zu renommierten Hochschulen, eine exzellente Verkehrsanbindung und eine bereits etablierte Wirtschaftsförderung. Doch bisher fehlte ein zentraler Ort, an dem Gründerinnen und Gründer aktiv unterstützt werden. Dieses Zentrum wird genau diese Lücke schließen.
Welche Rolle spielt die städtische Wirtschaftsförderung?

Dass die Wirtschaftsförderung für die Stadtverwaltung eine große Bedeutung hat, zeigt sich schon dadurch, dass sie bei mir als eigene Stabsstelle angesiedelt ist. Die Wirtschaftsförderin steht in engem Kontakt mit den Unternehmen, unterstützt und begleitet sie. Auch die LE Card ist ein wichtiger Baustein, um die örtlichen Unternehmen und Dienstleister zu unterstützen.
Gibt es weitere Ideen, um die örtliche Wirtschaft zu stärken?
Ja, in diesem Zusammenhang sind unbedingt die Rötlesäcker im Osten von Leinfelden zu nennen. Nachdem Daimler Truck auf einem anderen Areal – in Leinfelden-Echterdingen! – die Erweiterung geplant hat, bietet sich hier die Chance, bestehenden Unternehmen aus der Stadt Flächen zur Verfügung zu stellen, damit deren Transformation gelingt.
Natürlich sind wir auch an innovativen, neuen Unternehmen interessiert, die die Gunst dieses Standorts an Autobahn, Flughafen und bald einem Fernbahnhof zu schätzen wissen. Klar ist jedoch, dass die Stadt erst einmal in Vorleistung gehen muss, um die dringend benötigten Flächen für das Gewerbe zu schaffen.
Vor wenigen Tagen war der Festakt zum Stadtjubiläum. Wie hat Ihnen diese Veranstaltung gefallen?
Es war eine würdige Feier, die alle Facetten der Stadt abgebildet und Jung und Alt zusammengebracht hat. 50 Jahre wurden dabei wieder lebendig! Dass mit Winfried Kretschmann der amtierende Ministerpräsident von Baden-Württemberg auf dem Podium mitdiskutiert und auch die eine oder andere Anekdote als ehemaliger Bürger von Leinfelden-Echterdingen zum Besten gegeben hat, sehe ich als Wertschätzung unserer Stadt.

50 Jahre liegen nun hinter der Stadt. Wie sehen Sie bei Blick in die Glaskugel die kommenden 50 Jahre?
Die nächsten 50 Jahre? Das erscheint mir eine etwas zu lang gewählte Perspektive. Ich denke, uns allen fällt es angesichts der vielen Veränderungen in der Welt und in Deutschland nicht ganz leicht, sich vorzustellen, wie Leinfelden-Echterdingen im Jahre 2075 aussehen wird. Die Zeiten sind sehr herausfordernd. Ich wünsche mir aber, dass wir gemeinsam als Gesellschaft alles daran setzen, dass wir weiterhin gerne in Leinfelden-Echterdingen leben, dass wir gute Arbeitsplätze vorfinden, um unsere Familien zu ernähren, und auch die nächsten 50 Jahre in Frieden, Freiheit und Wohlstand leben können.