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Rathaus Echterdingen wird 500 Jahre alt – Untersuchungen zum Alter abgeschlossen Zeugnis bürgerlichen Selbstbewusstseins seit 500 Jahren

„Aus dem Herzen des Ortes ragt das stattliche Rathaus empor mit dem niedlichen Rundtürmchen, das leider sein Glöcklein hat opfern müssen. Man möchte, wenn man im Flur des Rathauses steht, seine Wanderschuhe mit Seidensandalen vertauschen, um die Sauberkeit nicht zu stören. Die Ratsstube aber sollte sich Jedermann betrachten; abgesehen von der hübsch gemalten Glasscheibe mit einem Wappen, begegnen uns so viele liebe Zeichen an den Wänden, die allein auf einen feinen Sinn für Zimmerschmuck hinweisen. 

Ansicht des Rathaus in Echterdingen im Jahr 1953
Fotos: Stadtarchiv

Da sind Sprüche und Bilder früherer Fürsten und Könige; da sind Photographiengruppen von bedeutungsvollen Tagen in Echterdingen, wie vom landwirtschaftlichen Fest anno 1907, von der Landung Zeppelins im Jahre 1908 und von der Einweihung des Gedenksteins im gleichen Jahre.“ So berichtet der Schriftsteller Hanns Baum 1922 über seine Eindrücke vom Echterdinger Rathaus in der Festschrift zum 50-jährigen Stiftungsfest des Liederkranzes Echterdingen. Trotz kriegerischer Ereignisse im Land – Feldzug des Schwäbischen Bundes gegen Herzog Ulrich und seine Verbannung im Jahr 1519 mit gleichzeitigem österreichischem Interregnum im Lande sowie die folgenden Wirren des Bauernaufstands – wurde, wie die jüngst durchgeführte dendrochronologische Untersuchung ergab, in den Jahren 1523/24 ein für die damalige Zeit stattliches und großartig angelegtes Gemeinde-Rathaus errichtet. 

Das Einweihedatum „1524“ war bis zur Renovierung des Rathauses Mitte der 1950er Jahre in zwei eichenen Balken des Unterstocks auf der Nord- und der Ostseite zu lesen. Bis heute zeigt sich die Architektur als ein freistehender Fachwerkbau mit Krüppelwalmdach und Dachreiter bzw. Glockentürmchen. Im Lagerbuch des gemeinen Fleckens Echterdingen von 1701 heißt es: „Daß Rathauß, unten im Dorf, bey der Kirch, hat zwo Stuben, eine Küche, und zwo Cammern, und unden eine Holzstallung, und ein Keller, oben underm Dach aber Fruchtschüttenen.“ Das sieht nicht sehr üppig aus. Aber der Flecken Echterdingen bestand damals aus gerade mal 1100 Einwohnern. Und das Rathaus überlebte die Feuersbrunst von 1575 sowie die Folgen des Dreißigjährigen Krieges. 

Das schwärzeste Jahr war 1634, als nach der Schlacht bei Nördlingen im Herbst 1634 durchziehende Truppen Teile des Fleckens verwüsteten und bei der anschließenden Pestepidemie die Hälfte der Einwohner den Tod fand. Doch im Laufe der Zeit vergrößerte sich die Einwohnerzahl und das Rathaus musste den Erfordernissen angepasst und umgebaut werden. So geschehen in den Jahren 1862/63, als sich im Keller des Rathauses eine Holz- und Spritzenremise, im Erdgeschoss ein Spritzenmagazin, ein Gefängnis, ein Aufwärterraum mit einem Schlafzimmer sowie ein Abtritt befanden. Im Obergeschoss der Rathaussaal mit Büroräumen, und auf dem Dach der Dachreiter mit einer Glocke. 

Wappenschild Rathaus Echterdingen

Die farbige Glasscheibe im Rathaussaal auf der nördlichen Fensterreihe stellt das in Blei gefasste württembergische Wappen in der seit 1593 gebräuchlichen Form dar. Die Umschrift lautet: „Anno Dommini 1628. Von Gottes Gnaden Ludwig Friedrich, Hertzog zu Wirttemberg und Teck, Graf zu Montpelgart, Herr zu Haydenheim.“ Diese Glasscheibe sollte wohl an den Regentenwechsel erinnern, als Herzog Johann Friedrich am 18. Juli 1628 verstarb und sein Sohn, Herzog Ludwig Friedrich, die Regentschaft in Württemberg übernahm. Bis in die 1930er Jahre hatten sich die Räumlichkeiten des Rathauses wie folgt verändert: Im Erdgeschoss befanden sich nun das Bezirksnotariat (seit 1900), die Gemeindepflege (seit 1924) sowie der Ortsarrest. Im Außenbereich befand sich die öffentliche Bodenwaage. Im 1. Stock der Sitzungssaal mit der 1925 im Saal eingerichteten Ortslesebibliothek und die Bürgermeister-Büros. Und im Dachgeschoss die Räume des Katastergeometers sowie die Registratur. 

1932 hatte man das Rathaus mit einer Zentralheizung versehen und 1933 das Dach mit sog. Biberschwänzen neu eingedeckt. Die Glocke des Dachreiters, die 1779 von Ludwig Neubert in Ludwigsburg gegossen worden war, war bereits 1917 als sog. „Kriegsmetall“ abgeliefert und nicht mehr ersetzt worden. 1939 wurde das Rathausdach mit einer „Groß-Alarm-Anlage“ ausgestattet. Dies war eine Sirene, die bei Luftangriffen die Bevölkerung rechtzeitig warnen sollte. Bis Kriegsende im Jahr 1945 kam sie bis zu 800-mal zum Einsatz. Das Rathaus wurde nach Kriegsende unter Bürgermeister Moltenbrey rasch instandgesetzt. Der Sitzungssaal konnte 1948, weitere Kanzleiräume 1951 ausgebaut werden. Eine gründliche Renovierung wurde in den Jahren 1953/54 vorgenommen.  

Bauzeichnung Rathaus Echterdingen

Dabei wurde das Fachwerk des Rathauses freigelegt. Moltenbrey gefiel die traditionelle Fachwerkbauweise. Deshalb sorgte er dafür, dass mehrere Gebäude in Echterdingen in diesem Stil wieder aufgebaut wurden. Am 11. Juli 1969 geschah die bisher letzte Renovierung mit einem Um- sowie einem Anbau des Rathauses, um den neuen Bedürfnissen der Gemeindeverwaltung Rechnung zu tragen. So wurde in dem Anbau neben den so notwendigen Verwaltungsräumen auch die Kreissparkasse, das Vermessungsamt, das Bezirksnotariat und eine Arztpraxis untergebracht. Drei Jahre zuvor war bereits das benachbarte Armenhäusle abgerissen worden. 

Leider wurde in diesem Zusammenhang auch das Haus des ehemaligen Heiligenpflegers, das Kaplaneigebäude, das ebenfalls im 16. Jahrhundert errichtet worden war und bis dahin unbeschadet die Zeitläufe überdauerte, abgerissen und musste nun dem modernen Betonwerk weichen. Mit der Spende der Kreissparkasse konnte 1968 der neue Rathausbrunnen vor dem Treppeneingang eingeweiht werden. Er ersetzte den alten Dorfbrunnen, der dort bis 1905 Bestand hatte. Die Verbindung des Rathausanbaus zum benachbarten Pfarrhaus wurde gleichzeitig mit einem neuen Tor betont, das ebenso wie der Rathausbrunnen vom Künstler und Steinmetz Gerhard Tagwerker gestaltet wurde. (J. Helmbrecht)